Leben wie Gott im Karmel

Reist man durch Israel, dann begegnet man sehr vielen Christen. Unheimlich viele Einzelreisende aber mehr noch Reisegruppen sind Tag für Tag im ganzen Land unterwegs. Beobachtet man diese Leute aufmerksam, dann fallen diverse Dinge auf. Ein Großteil der Gläubigen ist andächtig und auch überwältigt von den christlichen Stätten, die man ja sonst nur aus Erzählungen in der Kirche daheim oder der Bibel kennt. Vielleicht auch noch aus einem der alten Sandalenfilme der 1960er. Aber es gibt auch noch eine andere Gruppe. Diese Christen sind enttäuscht, entsprechen doch die von ihnen in Israel besuchten Orte nicht der Vorstellung, die sich in all den Jahren christlichen Lebens im Westen aufgebaut hat.

Besonders auffällig ist das sicherlich in Jerusalem. Die Grabeskirche ist zumindest für mich immer eine Attraktion und ich habe mich sehr viele Stunden dort aufgehalten. Die Grabeskirche ist vieles. Sie ist alt, sie strahlt Historie aus, sie ist komplex und kompliziert, sie ist Politikum und sie ist jeden Tag heillos überfüllt. Aber in ihr atmen die Jahrhunderte. Sie ist auf keinen Fall still, nicht bedächtig und sie erinnert erst recht nicht an den kahlen Hügel, auf dem vor 2000 Jahren Christus gekreuzigt worden sein soll. Viele Besucher enttäuscht das, haben sie sich diese Stätte doch so ganz anders vorgestellt. Glücklicherweise gibt es in der Nähe des Damaskustors das so genannte Gartengrab, das im 19. Jahrhundert vom britischen General Gordon entdeckt wurde. Und dieses Areal entspricht doch so viel mehr den Vorstellungen vieler Christen, so dass diese – freilich entgegen jegliche archäologische und wissenschaftliche Erkenntnis – das Grab kurzerhand zum „echten“ Grab Christi erkoren haben.

Ähnlich schaut es auch in Nazareth aus, das ich mit Sophie im Oktober besucht habe. Das Zentrum ist eine arabische Mittelstadt wie aus dem Bilderbuch. Verkehrschaos inklusive. Wie zum Trotz thront mitten drin die Verkündigungsbasilika. Für viele tausend Christen jeden Tag Anlaufpunkt und Pilgerziel. Als ich vor zwei Jahren zum ersten mal in Nazareth war, haben Muslime ein Schild auf dem Pilgerweg aufgestellt. Dort stand in etwa sinngemäß, dass nur der Islam die wahre Religion sei und alle anderen seien Ungläubige und verloren. Dieses Schild befand sich auch im vergangenen Monat noch immer an der selben Stelle, die Schrift allerdings inzwischen weiß übermalt. Entweder haben sich die Pilger in Massen beschwert (verständlich) oder aber die Muslime haben in diesem Fall ihre eigene Intoleranz erkannt. Enttäuschte Gesichter findet man auch in Nazareth genügend. Die Verkündigungskirche ist modern. Die Altstadt ist muslimisch geprägt. Wenig erinnert an das verträumte Dorf, in dem Christus aufgewachsen sein soll. Ein Besuch ist dennoch empfehlenswert. Nicht nur für Christen.

Das Provokationsplakat der Nazarener Muslime wurde entschärft. Haben sich zu viele Christen darüber beschwert?

Das Provokationsplakat der Nazarener Muslime wurde entschärft. Haben sich zu viele Christen darüber beschwert?

Dass Sophie bei dieser Reise an meiner Seite war, das war ein echter Segen. Die Frau hatte die Navigation voll im Griff. Ich musste nur fahren. Zeitweise war ich selbst vollkommen desorientiert. Sophie war stets derartig gut orientiert, dass ich mir überhaupt keine Sorgen machen brauchte. Ein wahrer Glücksfall. Aber nicht nur das: Ihre Ideen und Impulse führten uns an Orte, die ich wahrscheinlich ohne sie nicht gesehen hätte. Wie an jenem Tag, als wir vom See Genezareth auf die Golanhöhen aufgebrochen sind. Das war ihre spontane Idee und eine ganz tolle Tour. In Richtung Katsrin ging es den Berg hinauf, für mich absolutes Neuland. Links und rechts von uns lange Zeit Minenfelder. Keine Ahnung, ob alt und aus vergangenen Zeiten und bisher nicht geräumt. Oder doch aktuell und Teil der israelischen Verteidigungskonzeption für die Golanhöhen. Die Israelis betreiben dort oben eine ganze Reihe von Stützpunkten. Vor allem schnelle Einheiten und natürlich gepanzerte Truppen hat die IDF dort massiert. Die Erinnerung an den Yom-Kippur-Krieg ist lebendig in Israel.  An einem Waldrand haben wir rund 30 Kampf- und Schützenpanzer der IDF in Bereitschaft gesehen. Syrien ist nah.

Auf den Golanhöhen erhebt sich der Mount Bental. Dort befinden sich alte militärische Anlagen, die man besichtigen kann

Auf den Golanhöhen erhebt sich der Mount Bental. Dort befinden sich alte militärische Anlagen, die man besichtigen kann

Wie nah, das durften wir dann vom Mt. Bental ganz genau sehen. Oben auf der Kuppe des über 1.000 Meter hohen Berges hatten die Syrer einen Bunker und eine befestigte Stellung eingerichtet. Heute kann man das Gelände besuchen und tief nach Syrien und auch in den Libanon schauen. Dort trafen wir dann auch wieder andere Menschen, während uns auf den Golanhöhen auf dem Weg zum Berg kaum ein Auto entgegen kam. Am Fuß des Berges ist ein Kibbuz. Die Kibbuzim betreiben dort ein bekanntes Steakhaus, das aber wegen des Schabbes zu war. Wenigstens konnten wir die Kühe mal kurz angucken. Der Golan ansich ist echt karg und machte auf mich einen entvölkerten Eindruck. Zahlreiche Kriegsruinen säumen die Straßen. Aber da mag ich mich täuschen, da ich die größeren Städte heute nicht gesehen habe. Einige Tage später waren wir rund um Haifa unterwegs, als es bereits auf den Abend zuging. Sophie hatte die Nase im Reiseführer, als wir auf der Suche nach einem leckeren Restaurant fürs Abendessen waren. Sie entdeckte das Dorf Ein Hod, das für seine Künstlerkolonie bekannt ist. In diese kamen wir allerdings nicht mehr rein, so dass wir über großartige Serpentinen ins Karmelgebirge fuhren. Weiter oben erreichten wir dann den winzigen Ort Ein Hud.

Eigentlich waren wir ja auf der Suche nach einem in zahlreichen Reiseführern erwähnten Restaurant namens „Habait“. Ich parkte vor zwei Restaurants ab und wir waren uns aber schnell einig, dass es sich jeweils nicht um das Habait handeln würde. Also fuhren wir noch weiter in den rein arabischen Ort hinein, bis uns Schilder zu einem anderen Laden führten. Diesmal waren wir uns sicher, dass wir unser Ziel gefunden haben. Dass wir auch hier vollkommen falsch lagen, das habe ich allerdings erst später in Deutschland bemerkt, als ich für diesen Text noch etwas nachrecherchierte. Tatsächlich parkte ich vor dem „Talblick“ ab. Das kommt davon, wenn man zu faul ist Hebräisch zu lernen. Denn alle Schilder dort waren ausschließlich in Ivrit beschriftet. Kein Wort in englischer Sprache. Unwissend wie wir waren, waren wir uns sicher. Der Chef des Hauses begrüßte uns schon vom Balkon seines Restaurants, als ich noch wild rangierend auf der engen Straße den Wagen versuchte abzustellen. Dies gelang mir schließlich und wir gingen hinein. Dort erwartete uns bereits der Chef nebst Gattin, die uns beide außerordentlich herzlich empfingen. Wir waren die einzigen Gäste.

Der Chef im "Tablick". Freundlich und herzlich wurden wir in dem außergewöhnlichen Restaurant empfangen

Der Chef im „Tablick“. Freundlich und herzlich wurden wir in dem außergewöhnlichen Restaurant empfangen

Das Talblick war auf jeden Fall genauso arabisch, wie das Habait in den Reiseführern beschrieben wurde. Sophie bestellte zunächst frische und selbstgemachte Limonade im Kelch. Köstlich. Dazu reichte der Chef eine Palette an Vorspeisen, die frischer und besser kaum hätten sein können. Es hätte mich nicht gewundert, wenn die Kräuter des hervorragenden Tomaten-Gurken-Salates selbst gepflückt waren. Dazu gab es Pita und leckeres Gemüse. Ein Genuß! Nur Hummus habe ich an jenem Abend schmerzlich vermisst. Vielleicht hätte ich das dem Chef noch mal sagen sollen. Witzigerweise war seine Karte zweisprachig. Ivrit und Englisch. Leider konnte der Herr des Hauses Englisch nur ein wenig sprechen, nicht aber lesen. Und ich kann Ivrit kaum lesen und außer „Toda“, „Slicha“ und „Lehitraot“ erst recht nicht sprechen. Also zeigte ich auf den englischen Schriftzug, mit dem er nichts anfangen konnte. Er zeigte dann auf den hebräischen, mit dem ich nichts anfangen konnte. Am Ende bekam ich aber doch meine Kebap-Spieße, die wirklich alles übertrafen, was ich auf meinem diesjährigen Israel-Trip gespeist habe. Sophie und ich waren einer Meinung. Auch wenn sie später eher zum Fisch-Restaurant im Mahane-Yehuda-Markt tendierte.

Die Vorspeisen waren ein Genuß für alle Sinne. Frischer geht es nicht

Die Vorspeisen waren ein Genuß für alle Sinne. Frischer geht es nicht

Ein kleiner Nachtisch wurde gereicht und der türkische Kaffee ging sogar aufs Haus. Sophie hatte eine große Grillplatte und insgesamt hat das nicht mehr als 150 Schekel gekostet (ca. 30 Euro). Dieses Restaurant ist so abgelegen wie der Ort Ein Hud selbst. Wenn man sich nicht gezielt auf den Weg dorthin macht, dann wird man es nur schwer finden. Zwar ist man dort mitten im tiefsten Israel, doch ist dieser Ort zu 100 Prozent arabisch. Wen das nicht stört, dem sei ein Besuch des Ortes und vor allem des Restaurants „Talblick“ ausdrücklich empfohlen. Als wir uns auf den Rückweg machten, ging langsam die Sonne unter. Auf halben Weg kam uns eine große Gruppe frei umher laufender Rinder entgegen. Mitten auf der Straße und unbeaufsichtigt. Gut, dass unser Mitsubishi Lancia ein Automatikgetriebe hatte. So konnte ich in Schrittgeschwindigkeit fahren und mit dem Handy filmen. Die Serpentinen ging es wieder runter nach Ein Hod. Dort erwartete uns die nächste Zwangspause. Rund 50 Ziegen standen auf der Straße. Einige haben es sich mitten auf dem Asphalt zum Schläfchen bequem gemacht. Mein zorniges Hupen hat die Tierchen wenig beeindruckt. Schrittweise bewegten sie sich dann doch zum Straßenrand, so dass wir endlich freie Fahrt hatten. Nach noch einmal rund zwei Stunden Fahrt waren wir schließlich zurück in Jerusalem. Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen.

Das kleine Restaurant Talbick in Ein Hud. Ein Besuch lohnt sich

Das kleine Restaurant Talblick in Ein Hud. Ein Besuch lohnt sich

© Fotos und Text Bastian Glumm – Alle Rechte vorbehalten

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